ÖV-Begleitdienst

Begleitet unterwegs in der Stadt Zürich

Ausgabe 4 / 2021
Wer in Zürich trotz eingeschränkter Mobilität mit Bus oder Tram zur ärztlichen Behandlung fahren möchte, kann sich von Freiwilligen des Zürcher Roten Kreuzes begleiten lassen. Wie das Programm funktioniert, erfahren Sie hier.
Ein Freiwilliger au dem ÖV-Begleitdienst unterstützt eine Seniorin, um Tram zu fahren

Es herrscht ein Gedränge und die Menschen haben es eilig: Wer selbst mit dem öffentlichen Verkehr reist, weiss, wie hektisch es manchmal zu- und hergehen kann. Für ältere Personen oder solche, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wird die Reise in Bus oder Tram so schnell zum Stresstest oder gar unmöglich. Insbesondere das Einund Aussteigen kann zur Herausforderung werden. In solchen Momenten wäre ein stützender Arm, eine vertrauenswürdige Begleitung mehr als willkommen. Genau hier setzt der ÖV-Begleitdienst des Zürcher Roten Kreuzes an.

Wertvolle zwischenmenschliche Begegnungen

«Die Freiwilligen des Begleitdienstes holen unsere Kundinnen und Kunden zu Hause ab und begleiten sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt Zürich an den gewünschten Ort», erklärt Einsatzleiterin Catherine von Orelli. Sie ist unter anderem für die Koordination der Freiwilligen und Fahrgäste zuständig. «Der Grossteil unserer Kundinnen und Kunden sind betagte Personen», erklärt sie. So zum Beispiel Frau M. aus Zürich, die nach einem Schlaganfall regelmässig zur Therapie in eine Klinik muss. Dadurch, dass sie den ÖV-Begleitdienst häufig in Anspruch nimmt, kennt sie mittlerweile fast alle Freiwilligen des Programms. Für die herzliche und aufgeschlossene ältere Dame sind diese zwischenmenschlichen Begegnungen wertvoll. Sie schätzt den Austausch mit den unterschiedlichen Menschen sehr.

Bei einem Arztbesuch oder einer Kontrolle im Spital wartet der oder die Freiwillige vor Ort und begleitet die Kundin oder den Kunden danach wieder sicher zurück nach Hause. Das Angebot ist gedacht für Menschen, für die der Weg zur ärztlichen Behandlung, ins Spital oder in die Therapie allein zu beschwerlich oder unmöglich ist.

Eine sichere Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln

Der ÖV-Begleitdienst wurde im Jahr 2016 in Zusammenarbeit mit den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) ins Leben gerufen und richtet sich an Personen aus der Stadt Zürich. Ziel des Angebots ist es, allen Menschen, die aus verschiedenen Gründen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, weiterhin eine sichere Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu medizinischen Terminen zu ermöglichen. Wer gerne begleitet werden möchte, meldet die Fahrt eine Woche im Voraus an.

Das Angebot ist kostenlos, einzig das eigene Ticket sowie jenes der freiwilligen Person muss von den Kundinnen und Kunden übernommen werden. Zur Begleitung gehören auch der gemeinsame Ticketkauf am Automaten sowie das Heraussuchen der Verbindungen und die Routenplanung. Während manche Personen den ÖV-Begleitdienst über lange Zeit in Anspruch nehmen, da sie regelmässig zur Therapie gehen oder Angebote für betreutes Arbeiten besuchen, sind andere nur während einer begrenzten Dauer auf Begleitung angewiesen. «Beispielsweise nach einem Unfall oder einer Krankheit», erklärt Catherine von Orelli. Wie etwa Herr A., der nach einer Schädel-Hirn-Verletzung auf Hilfe angewiesen war. Nach rund einem Jahr Begleitung fühlte er sich wieder sicher genug, um seinen Weg selbstständig zu bewältigen.

Auch Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung profitieren vom ÖV-Begleitdienst: Zum Beispiel die junge L. mit Trisomie 21. Sie lebt in einem Wohnheim und besucht am Wochenende jeweils ihre Familie. Da es ihren Angehörigen nicht möglich ist, sie auf dem Weg zu begleiten, springt hier das Zürcher Rote Kreuz ein.

Entlastung auch für Angehörige

Das zeigt, dass der ÖV-Begleitdienst nicht nur für die betroffenen Personen eine grosse Entlastung ist, sondern auch für deren Angehörige. Denn oft ist es Verwandten nicht möglich, selbst Unterstützung zu bieten. Sei es, weil sie mit Familie und Beruf selbst so ausgelastet sind, dass keine Zeit für die Begleitungen bleibt. Oder auch, weil sie dazu gesundheitlich nicht oder nicht mehr in der Lage sind. «Dann zu wissen, dass der betagte Vater oder die Mutter bei uns sicher und zuverlässig zu medizinischen Terminen begleitet wird, ist eine unglaubliche Erleichterung für die Angehörigen», sagt Catherine von Orelli. Sie und ihr Team erfahren eine sehr grosse Dankbarkeit von den Fahrgästen und von deren Angehörigen.

Auch Kinder und Jugendliche nehmen gelegentlich den ÖV-Begleitdienst in Anspruch – wie zum Beispiel der junge Mann, der sich die Reise in Bus und Tram aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht allein zutraute. Nachdem er regelmässig von einem Rotkreuz-Freiwilligen begleitet wurde, war er bald mutig genug, wieder selbstständig mit dem öV zu reisen. «Für unsere Freiwilligen ist es jeweils sehr schön, mitzuerleben, wie ein Mensch aufblüht, sein Selbstvertrauen zurückerlangt und wieder selbstständig mit Bus und Tram unterwegs sein kann», sagt Catherine von Orelli.

Selbstständigkeit bewahren

Damit auf den begleiteten Fahrten alles reibungslos abläuft, erhalten die Freiwilligen vor ihren Einsätzen eine Schulung von der Einsatzleiterin, in der sie auf die verschiedensten Situationen vorbereitet werden. Dabei wird unter anderem auch abgeklärt, ob die Freiwilligen wissen, wie ein Rollator oder ein Rollstuhl gehandhabt wird, da gerade ältere Personen oft auf solche Geräte angewiesen sind.

Manch einer denkt vielleicht, dass die Begleitungen per Auto einfacher wären. Doch in der Stadt hat die Fahrt mit dem öV zahlreiche Vorteile, da Stau und Baustellen oft umgangen werden können und die Parkplatzsuche entfällt. Aber nicht nur das: Gerade die ältere Kundschaft schätzt es, durch den Begleitdienst in Bewegung zu bleiben, am sozialen Leben teilnehmen zu können und sich dadurch ein Stück Selbstständigkeit zu bewahren.