Mitten in der Stadt Zürich – umgeben von einer historischen Parkanlage und einer der am meisten befahrenen Einfallstrassen Zürichs – befindet sich die Villa Vita, die ambulante psychosoziale Betreuung des Zürcher Roten Kreuzes. Wo einst die Familie Schindler-Escher residierte, finden seit knapp 40 Jahren Menschen mit psychisch chronischen Erkrankungen eine Tagesstruktur und wichtige soziale Kontakte. Mehr noch: Es ist ein Ort, der Halt und Zugehörigkeit gibt und an dem eine riesige Solidarität gepflegt wird.
Wenn ich als Rotkreuz-Mitarbeiterin Aussenstehenden die Villa Vita beschreibe, sage ich immer, es sei eine Art «zweites Daheim», ein Ort der Zugehörigkeit. Stimmt das so für Sie?
Herr G. Ja, das kann man so sagen. Es kommt darauf an, wie lange man dabei ist. Zumindest in meinem Fall musste ich mich zuerst angewöhnen, ich bin nun seit 2015 hier. Erst musste ich die Institution kennenlernen, wie beispielsweise der Ablauf in der Gruppe ist, was angeboten wird und so weiter. Und ich musste erst meine eigenen Neigungen herausfinden. Hier wird ja viel angeboten (lacht)!
Wie würden Sie die Villa Vita bezeichnen?
(Überlegt eine Weile.) Ich habe ja ein Daheim, insofern würde ich die Villa Vita wohl als einen Ort bezeichnen, wo ich zusätzliche soziale Kontakte pflegen kann. Das schätze ich sehr und das ist wichtig.
Was geben Ihnen soziale Kontakte?
Sie müssen wissen, dass ich immer sehr gerne arbeiten ging. Arbeiten war nie eine Bürde. Das ist auch bei der Villa Vita so, ich gehe sehr gerne. Und sie gibt mir auch etwas. Nehmen Sie die Kreativgruppe, in der ich bin: Da treffen unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Nationen mit je eigenen Geschichten aufeinander. Auch wenn gewisse Klientinnen und Klienten nicht viel reden, ist ihnen der Besuch hier wichtig. Das spürt man. Man grüsst sich beispielsweise immer mit der Hand, was ich sehr wertvoll finde. Je länger man sich kennt, desto mehr weiss man voneinander.
Entstehen auch private Bekanntschaften?
Ja, durchaus. Es gibt beispielsweise jemanden, der häufig Klavier spielt, der sehr interessiert an allem ist. Ihn treffe ich auch ausserhalb der Villa Vita, das ist schön. Das erhöht den Kitt. Ich treffe mich auch mit zwei Frauen aus der Diskussionsgruppe. Diese habe ich auch schon nach Hause eingeladen, damit meine Frau sie auch kennenlernt. Man bekommt auf diese Weise viel von den Schicksalen der anderen mit.
Redet ihr untereinander über die Gründe, weshalb ihr in der Villa Vita seid?
Ja, teilweise. Gerade, wenn man jemanden schon länger kennt, kommt auch die Frage: «Weshalb bist du hier? » Und dann gibt es auch Antworten. Es gibt aber Klienten, von denen ich wenig oder nichts weiss. Das ist auch in Ordnung.
Weshalb sind Sie in der Villa Vita?
Es gibt verschiedene Gründe: Ich hatte in den letzten Jahren mehrere Klinikaufenthalte, vor allem im Wechsel von manischen zu depressiven Phasen. Heute nennt man dies übrigens nicht mehr manisch-depressiv, sondern bipolar. Ich war denkunfähig, das war schlimm für mich. Der letzte Aufenthalt war 2015.
Was geschah nach Ihrem letzten Klinikaufenthalt?
In der Klinik hat man verständlicherweise wenig Zeit für die Patientinnen und Patienten und so wird man in erster Linie medikamentös behandelt. Dort erhielt ich jedoch den Hinweis, dass es die Villa Vita gibt. Wobei ich schon vorher in verschiedenen Sozialpsychiatrien war.
Und wo lag der Unterschied zur Villa Vita?
Unabhängig davon, wo Sie sind, ob in Tageszentren oder ambulanten Ergotherapien: Es steht und fällt immer mit den dort arbeitenden Menschen. Manchmal lief es einfach aus – es wechselte das Angebot oder das Personal oder beides (nachdenklich). In der Villa Vita ist dies alles stabil.
Und diese Stabilität ist wichtig?
Hier konnte ich Fuss fassen. Seit 2015 bin ich nie mehr in einer Klinik gewesen, das schätze ich alles sehr.