Jugendrotkreuz

Ein sportliches Team

Ausgabe 1 / 2021
Sara und Pascale haben sich durch das Rotkreuz-Mentoring-Programm für Menschen mit Beeinträchtigung kennengelernt. Autorin Jasmin Stihl begleitete die beiden zum Vitaparcours auf den Käferberg.
Eine Freiwille des Roten Kreuzes Zürich trainiert mit ihrem Mentee im Wald.

«Und, Sara, bist du fit für heute?», fragt Mentorin Pascale ihre Mentee Sara. Die jungen Frauen tragen bunte Schutzmasken und steigen gerade ins Tram Nummer 11 Richtung Bucheggplatz ein. Nicht weit von dort entfernt befindet sich ihr angesteuertes Ziel: der Vitaparcours auf dem Zürcher Käferberg. Das Duo trifft sich seit über einem Jahr regelmässig, um Sport zu machen. «Einzig während des Lockdowns im Frühjahr haben wir uns eine Zeit lang nicht mehr gesehen», sagt Sara und macht einen Schmollmund. Pascale stupst die 26-Jährige an und sagt aufmunternd: «Dafür geben wir jetzt umso mehr Vollgas.» Pascale und Sara entscheiden jeweils spontan, was sie gemeinsam unternehmen werden. «Hauptsache, wir bewegen uns», sagt Sara und fügt hinzu: «Mein Ziel ist nämlich, abzunehmen.» Das sei ihr schon super gelungen. «Seit ich mich mit Pascale treffe, habe ich schon zehn Kilogramm weniger auf der Waage», sagt Sara stolz.

Mehr als nur Sport

Doch wie haben die beiden Sportskanonen überhaupt zusammengefunden? Sara ist durch die gemeinnützige Organisation «insieme » auf das Jugendrotkreuz (JRK) Kanton Zürich aufmerksam geworden. Beim JRK engagiert sie sich selbst freiwillig, indem sie ältere Menschen in einem Alterszentrum besucht und mit ihnen Karten spielt oder spazieren geht. Als sie selbst Unterstützung suchte, hat das JRK bei der Vermittlung geholfen. Auch Pascale ist schon länger Freiwillige beim Roten Kreuz Zürich. Eine Zeit lang hat sie in Asylzentren Kinder und Jugendliche betreut. Von einem Mitarbeiter hat die 22-Jährige erfahren, dass Sara jemanden sucht, der mit ihr Sport macht. «Da hat’s bei mir ‹klick› gemacht.» Pascale sagt: «Wer als junge Freiwillige Erfahrungen mit Benachteiligten macht, wird ein Leben lang Schwächeren anders gegenüberstehen.» Man könne sich besser einfühlen und deren Perspektive sehen – das prägt und man wächst dadurch.

Besondere Verbundenheit

Das Tram hält an und die beiden steigen aus. «Als wir uns das erste Mal gesehen haben, verstanden wir uns auf Anhieb», erzählt Pascale. Sara nickt: «Pascale ist nicht nur sportlich, sondern auch witzig.» Vom Bucheggplatz ist es noch ein kurzer Fussmarsch auf den Zürcher Käferberg. Sara fragt viel. Fragen, die zum Nachdenken anregen. Fragen, die man sich sonst nicht so stellt. Sie ist neugierig und hört Pascales Antworten konzentriert zu. Beide scheinen das Gespräch zu geniessen. Oft lachen oder scherzen sie. Man merkt: Hier geht es nicht nur um den Sport. Es scheint eine ganz besondere Verbundenheit zwischen Mentorin und Mentee zu geben. «Ja, du machst das schon sehr gut. Jetzt noch die Knie durchstrecken», sagt Pascale zu Sara. Die beiden sind gerade beim ersten Posten: Dehnübungen, um sich aufzuwärmen. Die 22-Jährige erklärt Sara detailliert jede Übung, die auf den rot-blauen Schildern des Parcours abgebildet ist. Sara gibt sich Mühe, streckt, beugt und wiederholt, bis die Übung sitzt. Das sei wichtig, denn manche Bewegungsabläufe fallen ihr schwer. Durch die Übungen erhält Sara, die eine kognitive Einschränkung hat, Gespür für ihren Körper und wird agiler.

Orientierungssinn stärken

Auf geht’s zum nächsten Posten. Der Weg ist jeweils mit Pfeilen signalisiert. «Sara, kannst du mir sagen, wo es weitergeht?», fragt die Mentorin. Sara schaut sich nach den Wegweisern um und ruft: «Hier lang!» Pascale überlässt ihrer Mentee die Führung. Die Mentorin erklärt Sara, weshalb: «Wenn du einmal ohne mich auf den Vitaparcours gehst, musst du den Weg selbstständig finden können. Das ist wichtig.» Sara nickt und antwortet Pascale mit gewohntem Witz. Beide Frauen lachen. Das tun sie oft. Das sportliche Team scheint vor Energie und Lebensfreude zu sprühen. «Ich freue mich immer, wenn ich Pascale sehe», sagt Sara. Sie ist ganz ausser Atem, denn sie springt gerade über Holzbalken. Pascale ist begeistert von der Fitness von Sara. «Du hast enorme Fortschritte gemacht », lobt Pascale. Sara, angespornt vom Lob, springt gleich schneller über die Balken. So geht es weiter von Station zu Station – bis es langsam dunkel wird.