Jugendrotkreuz

«Gut ist, wenn es mich nicht mehr braucht.»

Ausgabe 2 / 2018
Seit fast zehn Jahren gibt es im Zürcher Jugendrotkreuz ein Mentoring-Angebot. Junge Freiwillige begleiten für jeweils ein halbes Jahr fremdsprachige Jugendliche und unterstützen sie im Alltag.
Freiwillige des Jugendrotkreuzes beraten Migrantinnen und Migranten bei alltäglichen Fragen

In den letzten Jahren sind viele unbegleitete Minderjährige in die Schweiz gekommen. Es sind Mädchen und Jungen, die meist Schlimmes erlebt und eine beschwerliche, gefährliche Flucht hinter sich haben. Sie haben hier oft keine gleichaltrige Bezugsperson und ihre Zukunftsperspektiven und Integrationschancen sind ungewiss.

Ursprünglich war das Mentoring- Angebot für junge Erwachsene mit Migrationshintergrund konzipiert, nicht jedoch für Asylsuchende. «Das Jugendrotkreuz hat das bestehende Angebot vor zwei Jahren erweitert und nimmt seither auch interessierte junge Asylsuchende auf. Die Nachfrage ist mittlerweile so gross, dass stets 20 bis 25 Jugendliche auf der Warteliste sind. Sie kommen vor allem über die Zentralstelle MNA (Mineurs Non Accompagnés), genauer über ihre Beistände und Beiständinnen», erzählt Jasmin Gisiger vom Jugendrotkreuz.

Wilder Ritt

Ein lustiges Erlebnis hatte eine Mentorin mit einem Jungen aus Afghanistan. Obwohl die beiden Jugendlichen sich anfangs aufgrund sprachlicher Barrieren kaum verständigen konnten, fanden sie sehr bald heraus, dass sie das gleiche Hobby hatten: Die Mentorin nahm ihren Mentee mit auf den Pferdehof, wo sie ihr eigenes Pferd hat. Als der Jugendliche aus Afghanistan im Begriff war, auf das Pferd zu steigen, wollte ihn die Mentorin erst aus Sicherheitsgründen davon abhalten. Doch der Junge war schneller und jagte mit dem Pferd über das Gelände. Sein Reitstil war anders als alles, was die Mentorin bisher gesehen hatte – aber das Pferd reagierte dennoch auf seine Anweisungen. Nach einem wilden Ritt stieg der Junge heil und glücklich ab.

Mehr Eigenständigkeit

«Mein äthiopischer Mentee ist 16 Jahre alt. Er war anfangs sehr schüchtern, doch inzwischen bin ich zu seiner Vertrauensperson geworden. Er öffnet sich immer mehr. Zu seinem Geburtstag sind wir sogar äthiopisch essen gegangen », berichtet eine 21-jährige Freiwillige an einem Erfahrungsaustausch Ende Februar in Zürich. Ähnliche Erfahrungen machte eine Mentorin mit ihrer 14-jährigen Mentee. Die Jugendliche habe sich anfangs nicht getraut, um ein Treffen zu bitten – und jetzt fragt sie jeweils, wann sie sich wieder sehen könnten. Einer anderen Freiwilligen ist aufgefallen, dass ihr Mentee, der zuerst nur sie als gleichaltrige Ansprechperson hatte, unterdessen viel eigenständiger geworden sei. «Es ist ein gutes Zeichen, wenn er mich nicht mehr so stark braucht», meint sie.

Die jugendlichen Flüchtlinge erhalten dank ihres Mentors oder ihrer Mentorin einfacher Anschluss an Gleichaltrige, lernen das Land und die Umgebung kennen und können ihr Deutsch – und somit ihre Zukunftsaussichten – verbessern.

Interessierte junge Freiwillige, die als Mentorin oder Mentor mitmachen möchten, melden sich bei: jugendrotkreuz@srk-zuerich.ch.