Redcross-Clowns

Welt der Fantasie

Ausgabe 3 / 2022
Die Redcross-Clowns bringen Freude und Ablenkung in den Alltag von Geflüchteten. Zwei freiwillige Clowninnen und eine Theaterpädagogin erzählen von der hohen Kunst der Improvisation.
Redcross-Clowns bei einem Workshop in Zürich

«Es ist eine Herzensangelegenheit », da sind sich Nora und Maria (Bild oben) einig. Die beiden Redcross-Clowninnen besuchen in ihrer Freizeit Asylzentren und schenken den dort gestrandeten Menschen eine kurze Auszeit. Sie entführen die Kinder (und alle anderen, die sich darauf einlassen) für einen kurzen, unbeschwerten Moment in die Welt der Mimik, der Gestik und der kleinen, zarten Fantasiegeschichten.

An diesem Sonntag nehmen sie an einem der Rotkreuz-Workshops in der Stadt Zürich teil. Fanny Zihlmann, die Kursleiterin, freischaffende Theaterpädagogin und Clownin, ist begeistert von dem, was die acht Clowninnen – an diesem Tag waren keine Clowns dabei – können und wie kreativ und fantasievoll sie aus der Situation heraus improvisieren. «Bei jedem Workshop sehe ich, wie sich die Clowninnen und Clowns weiterentwickeln, das freut mich besonders», erzählt sie. Problemlos können die geübten Clowninnen im nonverbalen Spiel und mit nichts als ihrer roten Nase und ihrem einfachen Kostüm eine Fantasiewelt kreieren und andere auf ihre improvisierte Reise mitnehmen.

Jeder Auftritt eine schöne Herausforderung

Während der Pandemie konnten nicht so viele Einsätze erfolgen, wie es geplant gewesen war. Aber das 2019 lancierte Projekt der Redcross-Clowns startete dieses Jahr wieder mit vollem Elan, als Besuche wieder ohne Einschränkungen möglich waren. Es besuchen immer zwei oder mehrere Clowninnen und Clowns gemeinsam ein Zentrum. Die Situation ist bei jedem Einsatz anders. Die Räumlichkeiten sind oft wenig einladend. Teils ist es laut, unruhig und auch schmucklos – wer sich eine Theaterbühne oder einfach nur eine heimelige Atmosphäre vorstellt, liegt falsch.

Die Situation der dort lebenden Menschen ist sehr belastet. Deshalb ist ein Auftritt auch eine besondere, aber sehr schöne Herausforderung. «Für die Freude und Ablenkung, die wir Kindern ermöglichen können, lohnt es sich jedes Mal», bestätigt Nora. Der Austausch an den Workshops über die erfolgten Einsätze und Schwierigkeiten, die vorkommen können, ist ein wichtiger Teil des Projekts. Zum Beispiel hat sich der Einsatz von Ballonen nicht bewährt – oft wird das Spiel unter den Kindern zu heftig oder jemand erschrickt, wenn ein Ballon laut platzt, oder es gibt Streit, weil nicht jedes Kind einen aufgeblasenen Ballon erhalten kann.

Redcross-Clowns an einem Workshop in Zürich

Wahrnehmung üben

«Der erste Schritt, um als Clown improvisieren zu können – was eine hohe Kunst ist – ist: wahrnehmen. Wahrnehmen, was um einen geschieht: Was höre, sehe, spüre ich in mir und um mich herum», erklärt Fanny Zihlmann. Lustvolle und witzige Übungen sind gegenseitiges Nachahmen oder zusammen ein Problem zu erfinden und es zu lösen versuchen, zum Beispiel, dass ein Stuhl plötzlich am eigenen Hinterteil festklebt.

Das Spannende für die Zusehenden sei oft nicht die Lösung, sondern witzige und absurde Versuche, das Problem auf alle möglichen und unmöglichen Arten lösen zu wollen. «Situationen, in denen wir im Alltag lieber nicht wollten, dass uns andere dabei zusähen.» Dabei sprechen die Clowns meist nur in einer Fantasiesprache. Diese ist einerseits unverständlich, aber dennoch verstehen alle – egal welcher Muttersprache – anhand der Tonlage und Geschwindigkeit, was die Clownin oder der Clown in dem Moment gerade fühlt und denkt.

Spielereien

Nora und Maria haben jeweils auch kleine Dinge dabei, die eine schöne Spielerei ergeben können. Zum Beispiel ein kompliziert zusammengefaltetes Herz aus Papier, das theatralisch auseinandergefaltet wird, bis die Spannung gross ist und sich nachher alle über das «entfaltete» Herz freuen. Oder kleine Zettelchen mit bunten Smileys, die aus einer verwunschenen kleinen Papiertüte hervorgezaubert werden, oder farbige Fäden für ein Fingerspiel. Und wenn aus buntem Papier Flieger gefaltet werden, sind auf unkomplizierte Weise plötzlich auch die Erwachsenen, die gerade noch abseits gestanden haben, involviert.

Maria erzählt schmunzelnd, sie sei schon etwas älter und da finde sie es unproblematisch, auch Erwachsenen ganz feine, flüchtige Berührungen zu verteilen. Dabei klebt sie am Ende eines Auftritts allen, die das möchten, einen kleinen runden Aufkleber auf den Handrücken. Und meist kommen alle zu ihr, Kinder und Erwachsene, und manche wollen sogar auf jede Hand einen kleinen farbigen Punkt. Er steht symbolisch für eine flüchtige, aber sehr warmherzige Verbindung zueinander in diesem Augenblick der Leichtigkeit.