Rotkreuz-Notruf

Zeit für den Notruf

Nach einem Sturz zu Hause entschliesst sich Frau T. für den Rotkreuz-Notruf. Was sie erlebt hat und wie einfach der Notruf funktioniert, erfahren Sie in dieser Reportage.
Eine Freiwillige passt das Notruf-Armband bei der Kundin an

Es ist ein schöner, aber noch sehr kalter Frühlingstag im März. Die Pandemielage scheint zu diesem Zeitpunkt so locker wie lange nicht mehr, doch das Kriegsgeschehen überschattet den Alltag. Die nächste Stunde gehört aber ganz Frau T., einer neuen Notruf-Kundin. Wir treffen uns vor einem Wohnhaus in Zürich-Altstetten. Wir, das sind die Freiwillige Nicole Kraft und ich, die Schreibende. Heute werden wir bei Frau T. den Notruf installieren. Die Freiwillige erzählt: «Die Kundinnen und Kunden sind manchmal richtig nervös, es ist etwas Neues für sie. Im hohen Alter kann es anstrengend sein, länger aufmerksam zuzuhören und sich auf etwas Neues einzulassen. Es braucht Fingerspitzengefühl.»

Kaum geklingelt, ertönt der Summton und wir treten ein ins Treppenhaus. Drei Stockwerke, Lift hat es keinen, und wir staunen, dass die 89-Jährige zuoberst wohnt. Wir ziehen beide die Maske an, weil dies als Vorsichtsmassnahme bei Installationen noch beibehalten wird. Frau T. erwartet uns an der Wohnungstür und eine scheue Katze lugt kurz aus einem Zimmer. Wir fühlen uns sofort willkommen. Nachdem wir unsere Jacken abgelegt haben, setzen wir uns im Esszimmer an den runden Tisch. Nicole Kraft fragt als Erstes: «Wie geht es Ihnen, Frau T.?» «Seit heute erstmals wieder gut», strahlt sie und erzählt ausführlich von ihrem Sturz. Sie behandelt uns wie Vertraute und wir hören aufmerksam zu.

Frau T. ist ein typischer Fall: Nach einem Sturz können die erwachsenen Töchter oder Söhne ihre betagte Mutter überzeugen, sich den Rotkreuz-Notruf zuzulegen, so wie es bei ihr war. «Oft sind es ältere Frauen, bei denen ich den Notruf installiere», erzählt Nicole Kraft. Die meisten leben allein, manche haben kurz vorher ihren Partner verloren. Gerade für allein lebende Menschen ist der Notruf eine grosse Sicherheit. Die Freiwillige erlebte aber auch schon eine fürsorgliche Partnerin, die für ihren chronisch kranken Partner den Notruf bestellte, damit sie ihn auch einmal ein paar Stunden allein daheim lassen konnte mit dem sicheren Gefühl, dass im Falle eines Sturzes sofort jemand alarmiert wird.

Sicherheit rund um die Uhr

Mit dem Rotkreuz-Notruf können Kundinnen und Kunden einfach per Knopfdruck Hilfe rufen. Die Rotkreuz-Notrufzentrale ist täglich rund um die Uhr besetzt und organisiert sofort Unterstützung. Jeder Alarm wird von einer qualifizierten Fachperson entgegengenommen. In einem Notfall bleibt sie über das Notrufgerät so lange in Sprechkontakt, bis Hilfe vor Ort eingetroffen ist. Je nachdem kommt eine der Kontaktpersonen (Familienmitglied, Nachbarin oder Nachbar, Rotkreuz-Kontaktperson) oder der Rettungsdienst und bietet Hilfe.

Frau T. erzählt: «Ich lag am Boden und brauchte eine halbe Stunde, bis ich zum Telefonapparat gelangte. Diesen konnte ich dann am Kabel herunterziehen.» Danach habe sie ihren Nachbarn im Haus angerufen, der sie auch sonst unterstütze. Dessen Tochter, die daheim war, eilte zu Hilfe. Frau T. war verletzt und die Sanität musste gerufen werden.

Nun pressiere ich nicht mehr.
Frau T., Notruf-Kundin

Zum Glück zeigten die Untersuchungen im Spital keine weiteren Auffälligkeiten, sie kam mit Prellungen der Rippen und des Schulterblatts davon. Frau T. meint, es wäre wohl einfach ein Schwindel gewesen. «Ich vergesse manchmal, wie alt ich bin», meint sie lachend. «Ich kann zum Beispiel nicht mehr so schnell den Kopf drehen, sonst kommt das ‹Hirni› nicht mit den Augen mit und es wird mir schwindlig. Aber fallen will ich nie mehr.» Sie erinnert sich noch an die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, als sie stürzte: «Jetzt falle ich, jetzt muss ich ins Pflegeheim.» Das wolle sie auf keinen Fall.

Testen und Ausprobieren

Nicole Kraft holt die Geräte aus der Tasche. «Ich zeige Ihnen, was ich Ihnen gebracht habe. Das ist ab jetzt Ihr neuer Begleiter», erklärt sie und zeigt Frau T. den Notruf-Knopf mit Armband. «Der Knopf ist wasserdicht und Sie können und sollten ihn auch beim Schlafen, Duschen oder Baden anbehalten.» «Ich darf nicht mehr allein in die Badewanne », antwortet Frau T., sie habe leider keine Dusche. Dreimal in der Woche komme die Spitex und helfe ihr. Nun suchen wir gemeinsam den passenden Standort für das Notrufgerät, das etwas halb so gross ist wie ein herkömmlicher Telefonapparat. Am besten zentral in der Wohnung, nahe einer Steckdose, die sonst nicht gebraucht wird (Gefahr des Aussteckens).

Das Gerät benötigt lediglich Strom. Die Zeiten, als ein zweiter Telefonanschluss gebraucht wurde, sind vorbei. Es funktioniert über das Mobilfunknetz und sucht selber das beste verfügbare Netz. Wir werden fündig beim TV-Gerät im Wohnzimmer, dahinter hat es eine Steckdose mit einem freien Anschluss. Eingesteckt – fertig! Also zumindest der erste Schritt ist gemacht. Danach wird getestet und ausprobiert, damit Frau T. genau weiss, wie es in einem Notfall funktioniert.

«Ganz wichtig ist, dass Sie das Notrufgerät nicht ausstecken», erklärt die Freiwillige noch mal. Das Gerät funktioniert nicht, wenn es länger nicht am Strom ist. Kurze Stromunterbrüche werden mit der Batterie überbrückt. «Es hat ein hochsensibles Mikrofon und eine Reichweite von 100 Metern, also bis ins Treppenhaus.» Nun passt sie das Armband des Notrufknopfs an das schmale Handgelenk der 89-Jährigen an. Und es steht der erste Test an: Nicole Kraft erklärt der Kundin, wie sie den Knopf drücken muss, mit leichtem Druck. Dann warten wir, und nach einem Moment erklingt laut und deutlich die Stimme eines Rotkreuz- Mitarbeiters aus dem Notrufgerät: «Grüezi Frau T., wie geht es Ihnen? In welchem Zimmer sind Sie?» Frau T. und der Mitarbeiter der Zentrale sprechen kurz miteinander und wir wiederholen den Test aus allen Zimmern.

Als Freiwillige für den Notruf

Danach setzen wir uns wieder an den Esstisch, der Vertrag wird unterzeichnet und wir plaudern ein bisschen. Frau T. erzählt von ihrer Familie und dass sie 21 Jahre bei der Spitex gearbeitet habe. Damals habe sie selber ihren Kundinnen und Kunden den Notruf ans Herz gelegt. Die Katze hat sich unterdessen neben unsere Jacken gelegt und döst. Wir verabschieden uns herzlich. Als wir wieder an der kalten Luft draussen sind, frage ich Nicole Kraft, was sie bei ihrer Freiwilligentätigkeit für den Notruf motiviert. «Ich mache das seit drei Jahren und wollte mich einfach sozial engagieren. Einmal in der Woche an einem Vormittag habe ich neben der Familienarbeit Zeit und es macht mir Spass.»

Ich habe schon sehr viel erlebt und Einblick in das Leben von älteren Menschen erhalten.
Nicole Kraft, Freiwillige im Rotkreuz-Notruf

Viele seien enorm dankbar für die Unterstützung, und für sie sei es eine Bereicherung. Es sei schön zu erleben, wie beispielsweise an diesem Morgen, dass es Frau T. in ihrem hohen Alter trotz Altersbeschwerden und gesundheitlicher Einschränkungen so gut geht. Mit diesem positiven Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, geht es zurück in den Alltag.

Wäre ein Freiwilligenengagement im Notruf etwas für mich?

Sie haben Verständnis für ältere oder gesundheitlich beeinträchtigte Menschen, regelmässig Zeit und ein eigenes Auto? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Aktuell sucht das Zürcher Rote Kreuz Freiwillige für Notruf-Installationen in den Regionen Winterthur und Affoltern am Albis.