«mitten unter uns»

Freiwilliges Engagement für unbegleitete Minderjährige

Matthias Lienhard nimmt sich im Rahmen des Rotkreuz-Programms «mitten unter uns» Zeit, einen Jugendlichen regelmässig zu treffen und ihn im Alltag zu begleiten.
Ein junger Geflüchteter und ein Freiwilliger aus Zürich sitzen auf einem Ping-Pong-Tisch und lachen zusammen.

Unbegleitete Minderjährige sind Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Eltern in die Schweiz geflüchtet sind und besonderen Schutz und Unterstützung benötigen. Zahlreiche Kinder und vor allem Jugendliche mit nichtdeutscher Erstsprache warten auf eine freiwillige Einzelperson oder Familie wie die von Matthias Lienhard. Der Familienvater nimmt sich im Rahmen des Rotkreuz-Programms «mitten unter uns» Zeit, einen Jugendlichen regelmässig zu treffen und ihn im Alltag zu begleiten.

Ein Engagement im Alltag

Matthias Lienhard engagiert sich nicht allein, sondern gemeinsam mit seiner Familie. Seine Partnerin stiess zufällig auf das Integrationsprogramm des SRK Kanton Zürich. Die Familie meldete sich daraufhin bei der Organisation und ist nun seit über einem Jahr dabei. Sie begleiten unterdessen den dritten Jugendlichen. Alle drei Jugendlichen waren unbegleitet in die Schweiz geflüchtet. Gerade ihnen fehlt oft eine vertraute Ansprechperson, die Dinge erklären kann, die für sie neu und unbekannt sind. Zudem haben viele Geflüchteten ausserhalb der Schule oder der Unterkunft keine Deutsch sprechende Bezugspersonen, die Zeit für sie haben und mit denen sie ihre Sprachkenntnisse verbessern können.

Anna Bossart, Rotkreuz-Verantwortliche für das Integrationsangebot, erklärt: «Für den Spracherwerb ist es wichtig, die Sprache auch ausserhalb des Klassenzimmers ganz praktisch anwenden zu können. Es ist wichtig, dass man die Sprache viel hört und selber das Sprechen üben kann. In einem positiven und vertrauten Kontext gelingt dies meist besonders gut.» Die Verbesserung der Deutschkenntnisse sei für die Jugendlichen sehr wichtig, damit sie ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen können. Das heisst zum Beispiel, dass sie eine Ausbildung absolvieren können, die ihnen entspricht, aber auch, dass sie ihre Freizeit nach ihren Vorstellungen gestalten können.

Ich finde es wichtig, dass die geflüchteten Jugendlichen auch von der Bevölkerung unterstützt werden.
Matthias, Freiwilliger bei «mitten unter uns»

Freiwillige können viel bewirken

«Fazel besucht uns einmal wöchentlich abends nach der Schule. So können wir unser Engagement sehr gut im Alltag integrieren, obwohl wir mit zwei kleinen Kindern wenig Freizeit haben», sagt Matthias Lienhard. Der erste Jugendliche, den er begleitete, fand später einen Platz in einer Pflegefamilie. Der zweite konnte dank seinen bereits guten Deutschkenntnissen eine Ausbildung in einer Autowerkstatt beginnen und brauchte keine zusätzliche Unterstützung mehr. So ist Matthias Lienhard nun seit einigen Monaten für Fazel, einen Jugendlichen aus Afghanistan, da. Wie wichtig die Freiwilligen sein können, zeigt diese Geschichte: ein Jugendlicher hat den Kontakt von Matthias Lienhard in seiner Herkunftssprache unter «Papa» abgespeichert. Auch Fazel wünschte sich eine Familie, zu der er regelmässig Kontakt haben kann. Er ist erst ein Jahr in der Schweiz und versteht noch nicht so gut Deutsch. Sein Ziel ist es, eine Ausbildung zu machen und unabhängig zu werden. Matthias Lienhard hilft ihm auch bei konkreten Fragen, beispielsweise dem passenden ÖV-Abonnement, bei der Wohnungssuche oder wenn Fazel unsicher ist, wie die Gepflogenheiten hier sind.

Wertvoller Kontakt von ausserhalb

Vieles ist für Geflüchtete fremd, und eine vertraute Ansprechperson zu haben, ist enorm wertvoll. «Aus der Resilienzforschung weiss man, dass bereits eine verlässliche Bezugsperson die Entwicklung und psychische Gesundheit positiv beeinflussen kann», erklärt Matthias Lienhard. «Ich finde es wichtig, dass die geflüchteten Jugendlichen auch von der Bevölkerung unterstützt werden. In den Unterkünften haben die Mitarbeitenden nicht sehr viel Zeit zur Verfügung, und so schätzen es die Jugendlichen sehr, wenn sich jemand von ausserhalb für sie interessiert.» Dies bestätigt Anna Bossart: «Geflüchtete Jugendliche haben schon viele schwierige Situationen bewältigt und müssen auch nach ihrer Ankunft in der Schweiz viel leisten: Eine neue Sprache und oft weitere Schulfächer möglichst schnell lernen, damit sie bald eine Ausbildung beginnen können, sich in einem neuen soziokulturellen Umfeld zurechtfinden und neue soziale Beziehungen knüpfen. Gleichzeitig befinden sie sich mit der Adoleszenz in einer anspruchsvollen Entwicklungsphase. Freiwillige können somit wertvolle praktische und menschliche Unterstützung anbieten.» Wichtig sei, dass Freiwillige viel Interesse, Geduld und Offenheit mitbringen und eine verbindliche Beziehung ohne spezifische Erwartungen anbieten möchten. «Kürzlich sagte mir ein Jugendlicher, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit der Freiwilligen sehr schätze.»

Zeit für Gespräche

Das sei auch bei Fazel so, berichtet Matthias Lienhard. Er erzähle ab und zu von seiner Heimat, sei aber eher noch etwas zurückhaltend und vielleicht etwas unsicher. «Auch unsere Kinder mögen Fazel sehr und freuen sich immer auf den Besuch. Dann spielen sie zusammen Uno, bauen Legotürme oder machen ein Puzzle. Kinder sind sehr offen und auch die sprachliche Barriere lösen sie erfrischend kreativ. Sie fragen immer, wann Fazel wiederkommt». Meistens kochen sie abends zusammen. Fazel ist sehr hilfsbereit, deckt den Tisch und hilft beim Abräumen. Der engagierte Familienvater schaut bewusst darauf, dass genügend Zeit bleibt für Gespräche mit einem der Erwachsenen, so dass Fazel Fragen stellen und sein Deutsch verbessern kann. Manchmal habe er ihn auch schon an ein Gartenfest oder einen Ausflug mitgenommen. «Es ist schön, Fazel die Kultur und das Leben in der Schweiz näher zu bringen und ihm zu zeigen, dass er hier willkommen ist. Und ich umgekehrt lerne auch von ihm etwas über seine Kultur.»

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