Kinderbetreuung

Für Kinder da sein

Ausgabe 1 / 2024
Mit dem Angebot Kinderbetreuung zu Hause hilft das SRK Kanton Zürich Familien in Ausnahmesituationen. Eine Kinderbetreuerin und eine Mutter von Zwillingen berichten von ihren Erfahrungen.
Eine Betreuerin des Angebots Kinderbetreuung zu Hause
Unterstützt Familien in Not: Juliane Portenlänger

«Ich habe immer etwas zu erzählen», strahlt Juliane Portenlänger, wenn sie von ihrer Arbeit berichtet. Sie ist seit Herbst 2020 beim Zürcher Roten Kreuz für das Unterstützungsangebot Kinderbetreuung zu Hause (KBH) tätig. Seither leistete sie über 200 Einsätze in den unterschiedlichsten Familien aus allen sozialen Schichten. «Wenn ich in eine neue Familie komme, habe ich keine Erwartungen. Ich fokussiere mich ganz auf das Kind, das ich betreuen werde.» Der Grund für den Einsatz ist für sie nicht relevant. Häufig sind es Überforderung oder Depressionen nach der Geburt, eine andere Krankheit oder ein Unfall, welche das Familiensystem plötzlich aus dem Gleichgewicht bringen.

KBH richtet sich an Familien im Kanton Zürich, die sich vorübergehend nicht mehr allein um ihre Kinder oder ihr Kind kümmern können und aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund einer Trennung dringend Entlastung benötigen. «Der psychische Gesundheitszustand zeigt sich oft in der Kommunikation», meint die Betreuerin. Bei einem Einsatz wegen eines Schreibabys und Depressionen der Mutter zeigte diese beim Erstkontakt fast keine Mimik, so schlecht ging es ihr. Nach einigen Betreuungseinsätzen merkte Juliane Portenlänger, dass es ihr besser ging. 

Abwechslung und Flexibilität

Kinderbetreuerin bei KBH ist das zweite Standbein von Juliane Portenlänger. Sie reserviert zwei Tage pro Woche fürs SRK Kanton Zürich. Die anderen Tage arbeitet sie als Betreuungs- und Klassenassistenz an einer Heilpädagogischen Schule. «Ich mag die Abwechslung», erklärt sie. Welche Voraussetzungen braucht es, um als Kinderbetreuerin fürs Rote Kreuz tätig zu sein? «Wichtig ist, flexibel und spontan zu sein sowie sich selbst zurücknehmen zu können. Die Arbeit eignet sich ideal auch für Mütter, die schon ältere Kinder haben und gerne mit Kleinkindern in einem kleinen Pensum arbeiten möchten. Man muss sich auf die Situation einlassen können und hat den Freiraum, das Programm selber zu gestalten, natürlich unter Berücksichtigung der Wünsche der Eltern. Ich bin sehr oft draussen mit den Kindern, damit die Eltern sich daheim erholen können.»

Eine erwachsene Hand hält die Hände von Zwillingsbabys

Mehr als eins

Zwillinge! Die Überraschung war gross, als auf dem Ultraschall in der 11. Schwangerschaftswoche zwei kleine Babys zu sehen waren. Rebecca Frei (Name geändert) aus dem Zürcher Oberland war zuversichtlich, dass sie und ihr Mann das schaffen würden. Sie dachte, sie wäre gut vorbereitet, denn als Ärztin war sie lange Nachtschichten gewöhnt, hatte in fünf Ländern gewohnt und promoviert. Aber es kam anders. «Die Zwillinge hatten Bauchschmerzen und schrien fünf bis sechs Stunden täglich durch», erzählt sie. «Sie haben mich geknackt.» Die Babys erbrachen beide mehrmals am Tag, sodass sie ständig umgezogen werden mussten und der Wäscheberg immer gross war. Sie und ihr Mann erhielten zuerst Hilfe aus der eigenen Familie. Dies war aber nur befristet möglich. Ihr Mann musste wieder arbeiten, und Rebecca Frei hatte nicht einmal Zeit, weitere Hilfe und eine Langzeitunterstützung zu organisieren. In der Kinderarztpraxis erfuhr sie zum Glück vom Angebot KBH. «Als die Eltern meines Mannes bei uns waren, habe ich es geschafft, beim Roten Kreuz Zürich anzurufen.»

Das Rotkreuz-Angebot Kinderbetreuung zu Hause hat uns gerettet.
Mutter von Zwillingen

In akuten Notfällen kann der erste Einsatz meist innert weniger Stunden organisiert werden, sicher ist ein Betreuungseinsatz nach 24 Stunden möglich. Finanziell mitgetragen wird das Angebot vom Amt für Jugend und Berufsberatung Kanton Zürich, vom Sozialdepartement der Stadt Zürich und vom SRK Kanton Zürich. Den Eltern wird ein einkommensabhängiger Tarif verrechnet.

Rebecca Frei war sehr erleichtert, dass sie und ihr Mann Unterstützung erhielten. «Ich war mittags um 14 Uhr noch im Pyjama und in Tränen aufgelöst, als die Betreuerin das erste Mal kam. Ich habe mich so geschämt», berichtet die Zwillingsmutter. «Manchmal habe ich die Minuten gezählt, bis die Betreuerin kommt. Es war für mich auch eine mentale Entlastung, weil ich wusste, ich werde bald eine Pause haben.» Der KBH-Einsatz dauerte mehrere Wochen. «Mittlerweile geht es viel besser. Unterdessen mögen die Kleinen den Kinderwagen, sind zufriedener und schlafen besser in der Nacht», erzählt die Mutter. «Das Rote Kreuz hat uns geholfen, diese Zeit zu überleben, und ich bin wieder zu Kräften gekommen. Eine Betreuerin war selbst Mutter von Zwillingen und hatte viele gute Tipps, die sehr geholfen haben, zum Beispiel die Anschaffung eines elektrischen Mobiles. Die Zwillinge schauen gerne zu, wie sich alles bewegt und dreht, und ich kann in dieser Zeit etwas erledigen oder essen.»

«Bei jeder Familie ist es anders.»

Juliane Portenlänger war schon öfter in Zwillingsfamilien oder bei Eltern in der Babyphase. Babys trägt sie oft in der Trage, wenn sich die Eltern das wünschen. «So sind die Babys schnell zufrieden», meint sie. «Manche Kinder sind anfangs sehr scheu, manche kommen auf mich zugerannt, weil sie mich schon kennen. Ich habe aber noch kein Kind erlebt, das mir nicht die Hand geben wollte, wenn wir draussen zusammen unterwegs waren.» Ihr gefällt, dass sie mit den Kindern eine positive Zeit gestalten kann und keinen Erziehungsauftrag hat. Ausserdem schätzt sie es, dass alles Administrative vom Zürcher Roten Kreuz erledigt wird. Im Moment sind vermehrt psychische Erkrankungen Gründe für Einsätze, aber auch der gebrochene Fuss einer Mutter von drei kleinen Kindern war kürzlich ein Einsatzgrund. Einmal kümmerte sie sich in einer leeren Wohnung um einen Erstklässler. Das Geschwister – ein Baby – war im Spital und die Eltern waren am Zügeln, daher war die Wohnung schon leer geräumt. Oft entdeckt sie mit den Kindern Neues in der Umgebung, einen Spielplatz, eine Spielecke in einem Bistro oder auch mal ein Café in einem Alterszentrum. «Das Schöne ist: Bei jeder Familie ist es anders und ich lerne etwas Neues dazu.»