Rotkreuz-Notruf

«Chum, mir macheds nomal!»

Ausgabe 3 / 2023
Ein lustiger Tag für alle: Edith Bühlmann, Notrufkundin, erhielt im Mai Besuch von einem Foto- und Filmteam. Mit dabei waren ihre Tochter Jacqueline Gugger sowie Ida Horber, die als Rotkreuz-Freiwillige bei Kundinnen und Kunden den Notruf installiert.

Edith Bühlmann aus Wetzikon ist eine von 3800 Notrufkundinnen und -kunden im Kanton Zürich. Im Frühling hatte ihre Tochter für sie den Notruf bestellt, weil sie allein lebt und auch schon gestürzt ist. Zum Glück kam die 88-Jährige immer problemlos zum Telefon, denn sie ist noch sehr beweglich und fühlt sich fit und gesund. Velo und Auto fährt sie aber nun nicht mehr, das ist ihr zu unsicher. In Wetzikon, wo sie seit 57 Jahren wohnt, kommt sie aber auch so überall problemlos hin. Unterstützt wird sie von ihren beiden Töchtern, den Enkeln und Urenkeln. Nun ist sie seit einigen Monaten zufriedene Notrufkundin.

«Der Notruf gibt uns allen ein sicheres Gefühl.»
Notrufkundin Edith Bühlmann und ihre Tochter Jacqueline Gugger

Die Seniorin trägt das Armband rund um die Uhr, auch im Garten oder beim Schlafen: «Es stört mich nicht, und sonst macht es ja keinen Sinn, wenn das Armband am falschen Ort liegt und ich woanders am Boden!», lacht sie.

Im Mai erhielt Jacqueline Gugger – die Tochter ist als Ansprechperson der Kundin gespeichert – einen aussergewöhnlichen Anruf vom Zürcher Roten Kreuz. Ob ihre Mutter vielleicht Lust hätte, an einem Rotkreuz-Fotoshooting teilzunehmen und das «Rotkreuz-Notrufgesicht» für die diesjährige Kampagne zu werden? «Ich wusste sofort, dass dies meiner Mutter Spass machen würde», erzählt die Tochter später. So rief sie ihre Mutter an, erklärte ihr die Anfrage und sagte, dass sie zusagen solle, wenn der Anruf vom Roten Kreuz komme. «So geht das!», kommentiert die Mutter lachend. Das herzliche Verhältnis der beiden spürt man gut, sie scherzen und stehen sich sehr nah. So hat also die Mutter wie von der Tochter aufgetragen «Ja!» gesagt zu dieser Anfrage und an einem sonnigen Tag im Mai bei sich daheim das Foto- und Filmteam empfangen. Und das liess sich dann auch die Tochter nicht entgehen – wie man auf dem Bild sieht.

Notrufkundin und ihre Tochter

Kundin und Freiwillige im Fokus

Mit dabei war zudem Ida Horber. Sie ist Rotkreuz-Freiwillige und installiert daheim bei Neukundinnen und -kunden in der Region Winterthur und im Zürcher Oberland den Notruf. Die Werbekampagne, für welche die Fotos gemacht wurden, hat das Motto «Für mehr Menschlichkeit in Zürich». Das Ziel war, eine Freiwillige gemeinsam mit einer Kundin abzubilden. Plakate und die Bilder sind nun seit Mitte Juli im Kanton Zürich zu sehen. Ida Horber erzählt: «Manchmal mussten gewisse Positionen zehn Mal nachgestellt werden, bis es den Profis ‹passte›: Mal waren zu viele Finger im Bild, mal stand ein Haar komisch ab. Edith hat aber viel Humor bewiesen und auch mal gemeint: ‹Dann schneiden wir halt einen Finger ab!› Ein anderes Mal hat Edith selber gesagt: ‹Ida, das war jetzt nicht so gut, lass es uns nochmals machen.›»

«Zusammen mit ihr habe ich an diesem Tag so viel gelacht wie noch selten.»
Ida Horber, Rotkreuz-Freiwillige beim Notruf

Edith Bühlmann bestätigt dies: «Es hat einfach gepasst, wir hatten es richtig lustig.» Und in Anlehnung an einen bekannten Sketch, den vor allem die Älteren unter uns noch von früher kennen, lachten sie und sagten jeweils: «Chum, mir macheds nomal!» Es war für beide ein einmaliges und tolles Erlebnis und sie seien auch ein bisschen stolz, dass sie nun quasi «Rotkreuz-Werbegesichter» geworden sind.

Als Freiwillige beim Rotkreuz-Notruf

Wie kam es dazu, dass Ida Horber als Freiwillige für den Rotkreuz-Notruf tätig ist? Sie habe sich nach der Pensionierung nach einer sinnvollen Freiwilligentätigkeit umgeschaut, die verbunden ist mit sozialen Kontakten. Diese habe sie beim Roten Kreuz Zürich gefunden und es bereite ihr Freude. «Ich habe im Leben viel Gutes erfahren dürfen, nun möchte ich etwas davon weitergeben. Mit dem Roten Kreuz verbinde ich den Dienst am Mitmenschen und ich schätze den Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom SRK Kanton Zürich, die mich sehr kompetent, freundlich und hilfsbereit bei den Einsätzen unterstützen.»

Bei den Installationen trifft sie immer wieder neue Menschen und erlebt auch überraschende und manchmal emotionale Situationen. Bei ihrer ersten Installation war sie mit einem Rotkreuz-Mitarbeiter bei einer Kundin. Diese lebte allein in einer grossen 5-Zimmer-Wohnung. Als die Kundin einmal an der Wand etwas mit dem Arm anstiess, erklärte sie, sie habe ihrer Tochter gesagt, dass sie unbedingt eine grössere Wohnung brauche. Eine andere Kundin, die sehr schwach und krank war, fragte die Freiwillige beim Abschlussgespräch, ob sie ihr sagen könne, wann sie endlich sterben könne. Ida Horber antwortete ihr: «Diesen Schalter kenne ich nicht. Das bestimmt eine höhere Macht.» Als Rotkreuz-Freiwillige erlebt sie auch viel Dankbarkeit und schöne Momente. «Eine Angehörige war kürzlich so dankbar und erleichtert, dass der Notruf bei ihrer Mutter so gut funktioniert und sogar bis ans Ende der steilen Eingangs- und Waschküchentreppe reicht, dass sie mich bei der Verabschiedung spontan umarmte.» Und was versteht Ida Horber ganz persönlich unter Menschlichkeit? «Unter Menschlichkeit verstehe ich, dass ich die Mitmenschen ernst nehme, ihnen zuhöre, höflich und diplomatisch bin.»

Ein offenes Ohr für die Mitmenschen

Edith Bühlmann ist Mutter zweier Töchter, war Wirtin und ihr Leben lang berufstätig. So blieb ihr für ein freiwilliges Engagement keine Zeit. «Ich habe aber freiwillig im Restaurant jeden Tag viele Geschichten abgehört», erzählt sie lachend. Als Wirtin sei es früher noch etwas anders gewesen, das Restaurant war den ganzen Tag geöffnet. In den ruhigen Randstunden vertrauten ihr die Gäste regelmässig ihre Sorgen an und schütteten ihr das Herz aus. Alleinstehende oder einsame Menschen fanden Gesellschaft und Unterhaltung, und so hatte eine Wirtschaft auch eine soziale Funktion, berichtet sie. Als sie dann pensioniert wurde, sei ihr aber nicht langweilig geworden. «Mein Mann sorgte für Unterhaltung!», scherzt sie. Er hatte ein zeitintensives Hobby: Er war Rennfahrer, und sie unterstützte ihn bei seiner Leidenschaft. Leider ist er vor zwei Jahren gestorben.

Was schätzt sie heute in ihrem stolzen Alter im täglichen Leben besonders? «Dass ich gesund bin; meine Enkel, Urenkel und Töchter; dass ich weiterhin da in Wetzikon selbstständig wohnen darf, einen Garten habe und keine finanziellen Sorgen. Mehr braucht es nicht!» Und was bedeutet für Edith Bühlmann Menschlichkeit? «Loyal zu sein und ein Herz für andere zu haben, hilfsbereit zu sein und nicht wertend.»