Zeitreise

Eine Idee bleibt jung

Ausgabe 4 / 2023
Seit 134 Jahren steht das Zürcher Rote Kreuz den Menschen im Kanton Zürich zur Seite. Und zwar immer denen, die es gerade am meisten brauchen.
Historisches Bild Sozialpsychiatrie SRK Kanton Zürich
Seit vielen Jahren unterstützt das Zürcher Rote Kreuz psychisch Belastete

Wie sahen die Hilfsangebote früher aus? Wir haben im Archiv recherchiert und die 1980er-Jahre ausgewählt, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Es ist eindrücklich zu sehen, wie individuell und zeitgebunden einige unserer Hilfsangebote sind – und wie langfristig und zeitlos wiederum andere.

Diabetes

Für die Volkskrankheit Diabetes war schon im Jahr 1980 Prävention dringend nötig. Das Zürcher Rote Kreuz bot in diesem Jahr in Winterthur eine öffentliche Blutzuckerkontrolle für die Bevölkerung an. Diese wurde von Rotkreuzhelferinnen durchgeführt. Solche kostenlosen Aktionen vermochten die Öffentlichkeit für die Krankheit zu sensibilisieren. Bei noch uninformierten Personen liess sich ein zu hoher Blutzucker aufdecken und sie konnten somit frühzeitig zu einer ärztlichen Konsultation oder Behandlung motiviert werden.

Multiple Sklerose

Auch andere Krankheiten forderten Menschen zu dieser Zeit heraus. Die Therapie bei einer Multiple-Sklerose-Erkrankung ist vielschichtig und umfassend. Um den Betroffenen im wahrsten Sinn des Wortes unter die Arme zu greifen, beteiligte sich auch das Zürcher Rote Kreuz 1982 mit einem Hilfsangebot: Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten wurden von Rotkreuzhelfern und -helferinnen zu ihren wöchentlichen Schwimmtherapien im städtischen Rheumabad Käferberg begleitet.

Mimosenverkauf für einen guten Zweck
Zur Finanzierung von Hilfsangeboten verkauften Freiwillige Mimosen

Herausforderungen der Zeit

Die offene Drogenszene auf dem Platzspitz in den 1980er- und 1990er-Jahren war eine ernste Belastung für Zürich. Täglich tummelten sich mehr als 3000 Drogenabhängige auch aus umliegenden Ländern auf dem Platzspitz. Es herrschten tragische Zustände. Die Probleme gingen weit über die Sucht hinaus. Unter anderem entwickelte sich der Ort zu einem HIV-Hotspot. Ab 1988 beteiligte sich das Rote Kreuz Zürich an der Aids- und Drogenhilfe am Platzspitz. Es wurden Kurse für Pflegepersonal angeboten, die den Umgang mit Aids thematisierten.

HIV-Prävention

Doch nicht nur das Pflegepersonal wurde geschult: Das Zürcher Rote Kreuz engagierte sich gemeinsam mit anderen Organisationen für HIV-Präventionsstationen. Dort halfen spezialisierte Rotkreuzhelfer und -helferinnen mit, die Suchtkranken über das gefährliche Virus aufzuklären und sterile Spritzen und Verhütungsmaterial abzugeben. Zudem errichtete das Zürcher Rote Kreuz mehrere Erste-Hilfe-Stationen für medizinische Notfälle, die 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr für die Betroffenen in Betrieb waren. Ebenfalls bedeutsam war die Infrastruktur, die das SRK Kanton Zürich zur Verfügung stellte für die weltweit erste Hepatitis-B-Impfaktion. Diese wurde auf dem Platzspitz durchgeführt und trug massgeblich dazu bei, die weitere Verbreitung des Virus unter den Suchtkranken zu verhindern.

Hepatitis B

Hepatitis B gehört nicht mehr zu unseren akuten medizinischen Herausforderungen, doch neu auftretende Viren führen genauso zu Schwierigkeiten. Flexibilität und der stets gleichgebliebene Wert der Zürcher Roten Kreuzes, sich für alle Menschen gleichermassen einzusetzen, führen auch in der heutigen Zeit zu effizienten Hilfsangeboten. So auch während der Covid-19-Pandemie. Für Sans-Papiers war es aufgrund der fehlenden Krankenversicherung nicht möglich, sich in staatlichen Impfzentren gegen das Virus impfen zu lassen. Im Rahmen von Meditrina, unserer medizinischen Anlaufstelle für Menschen ohne Aufenthaltsrecht in der Schweiz, wurde eine Covid-19-Impfaktion organisiert. Wer sich impfen lassen wollte, hatte so die Chance dazu.

Die Fahrdienstleiterin koordiniert Rotkreuz-Fahrten
Die Fahrdienstleiterin koordiniert Rotkreuz-Fahrten, ca. 1980

Sprache und Lebensweise kennenlernen

Kinder brauchen besondere Unterstützung. Insbesondere dann, wenn sie bedrückende Ereignisse wie Krieg und Flucht erlebt haben. 1987 eröffnete das Zürcher Rote Kreuz einen Kindergarten für iranische Kinder. Wegen des Iran-Irak-Kriegs waren zahlreiche Familien zur Flucht gezwungen. Im Kindergarten konnten die drei- bis fünfjährigen Kinder in angstfreier Atmosphäre und auf spielerische Art und Weise mit der neuen Lebensweise und Sprache vertraut gemacht werden. Auch heute kümmert sich das Zürcher Rote Kreuz um dieses Anliegen: Die Sprachtreffs für fremdsprachige Kindergartenkinder verfolgen immer noch dieselbe Idee und werden von den dankbaren Eltern stets geschätzt.

Besuchsdienst

Aber nicht nur Kinder benötigen besondere Aufmerksamkeit. Das Alter und die oftmals damit einhergehende Einsamkeit hat das Zürcher Rote Kreuz immer ernst genommen. Der Besuchsdienst war in den 1980ern ein vertrautes Angebot. Freiwillige schenkten älteren, alleinstehenden Menschen ihre Zeit, damit diese sich nicht einsam fühlen. Da dieses Thema nach wie vor in unserer Gesellschaft aktuell ist, bestehen solche Angebote selbstverständlich weiterhin. Unter anderem gibt es Besuchsnachmittage in Alterszentren, beispielsweise im Alterszentrum Adlergarten. Engagierte Freiwillige des Jugendrotkreuzes besuchen die Bewohnenden und verbringen abwechslungsreiche Stunden mit ihnen. Manchmal erklären die Jugendlichen ihnen die neusten Trends der digitalen Welt, mal erzählen die Bewohnenden aus ihrem Leben. Das Rote Kreuz Zürich ist dem Alterszentrum Adlergarten schon länger ein treuer Begleiter: Bereits 1987 wurden mit dem Transportcar für beeinträchtigte Personen Bewohnende aus dem Zentrum abgeholt und für erholsame Stunden und mehr Lebensqualität zu interessanten Ausflugszielen gebracht.

Rotkreuz-Trägerhilfe

Zuletzt stellen wir Ihnen ein sehr spezielles und herzerwärmendes Hilfsangebot des Jahres 1982 vor, die sogenannte Trägerhilfe. Personen mit einer körperlichen Beeinträchtigung, die nicht Treppensteigen konnten, wurden von kräftigen Helfern hinauf- und wieder hinuntergetragen. Da zu dieser Zeit Aufzüge noch nicht gang und gäbe waren, war es mit dieser von Rotkreuzhelfern ermöglichten Unterstützung die einzige Möglichkeit für körperlich stark Beeinträchtigte, ihre Familie und Freunde zu besuchen.

Alle Hilfsangebote verfolg(t)en Henry Dunants Grundgedanken: Siamo tutti fratelli. Diese Idee, stets für Menschen in Not da zu sein, egal woher sie kommen, bleibt weiterhin jung. Das SRK Kanton Zürich setzt(e) sich damals wie heute engagiert und zeitgemäss für die Schwächsten unserer Gesellschaft ein – und wird dies auch in Zukunft tun.