SOS-Beratung

Zuhören und helfen

Ausgabe 1 / 2019
Die SOS-Beratung ist eine Anlaufstelle des Zürcher Roten Kreuzes für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons Zürich. Die Beratungen sind kostenlos. Sonja Geissmann war einen Morgen lang im Büro von Susan Calderin, eine der fünf Sozialarbeiterinnen, und erlebte, mit welchen Anliegen und Nöten die Menschen in die SOS-Beratung kommen.
Die Rotkreuz-Sozialberatung unterstützt in allen Lebensphasen
Die Sozialberatung berät persönlich, telefonisch und per E-Mail. Für dringende Anliegen sind Termine am gleichen Tag möglich.

Kurz nachdem die SOS-Beratung um 9 Uhr geöffnet hat, betritt Frau M. den Warteraum. Susan Calderin bittet sie in ihr Büro. Frau M. spricht nur wenige Worte Englisch, die Verständigung ist schwierig. Sie sieht müde und erschöpft aus. Die Mutter lebt mit ihrem acht Monate alten Sohn und der zweijährigen Tochter seit knapp einem Jahr in der Schweiz in einer Kollektivunterkunft. Sie ist zusammen mit ihrem Mann aus Syrien geflüchtet. Ihr Ehemann befindet sich noch in Griechenland. Auf ihren Asylantrag hat sie noch keine Antwort bekommen. Susan Calderin organisiert und bezahlt die Übersetzung der Heiratsurkunde. Die Frau kann damit die benötigten Unterlagen an das Migrationsamt einreichen und hofft, dass ihr Ehemann bald zu seiner Familie nachreisen darf.

Als Nächstes nimmt der 17-jährige S. gegenüber der Sozialarbeiterin Platz. Er ist mit seiner Mutter da. Obwohl er erst drei Jahre in der Schweiz ist, spricht er bereits sehr gut Schweizerdeutsch und übersetzt für seine Mutter das Gespräch. Er erzählt, dass er im 10. Schuljahr ist. Seit ein paar Wochen macht er ein Praktikum im Altersheim. Er sucht eine Lehrstelle für nächsten Sommer. Seine Lehrer unterstützen ihn bei den Bewerbungen. Er ist sehr motiviert. Trotzdem fühlt er sich sehr unsicher und ist froh, dass wir ihm eine freiwillige Person vermitteln können, die sich regelmässig mit ihm trifft. So bekommt er noch mehr Unterstützung beim Schreiben der Bewerbungen sowie den Hausaufgaben für die Schule.

Telefonischer Rat gefragt

Bevor Susan Calderin einen Blick in den Warteraum werfen kann, läutet das Telefon. Eine Sozialarbeiterin einer psychiatrischen Klinik erkundigt sich, ob das Rote Kreuz ihrem Klienten helfen könne. Er mache sich grosse Sorgen um seine Familie in Sri Lanka, die bedroht werde. Die Rotkreuz-Mitarbeiterin kann ihr eine auf dieses Land spezialisierte Beratungsstelle angeben.

Frau S. meldet sich ebenfalls telefonisch. Ihre beiden kleinen Kinder leiden an einer schlecht verheilenden Hautkrankheit. Sie müssen regelmässig ins Kinderspital zur Behandlung und benötigen teure Medikamente, wofür ihr gegenwärtig das Geld fehlt. Susan Calderin ruft eine Sozialarbeiterin im Kinderspital an. Diese übernimmt den Fall und wird direkt mit der Mutter und dem Sozialamt besprechen, wie das Problem am schnellsten gelöst werden kann.

Vermitteln und abklären

Frau F. ruft an, sie möchte sich von ihrem Partner und Vater ihrer Tochter trennen. Susan Calderin bespricht mit ihr, welche Stellen sie und ihren Partner beraten könnten zur Regelung des Besuchsrechts und der Alimentenzahlungen. Oft kann die Rotkreuz-Mitarbeiterin helfen, indem sie an die richtigen Stellen vermittelt oder bei Überforderung in einer Situation Abklärungen übernimmt. Gelegentlich können mit kleinen finanziellen Beiträgen akute Notlagen rasch und unbürokratisch etwas gemildert werden.

Frau H. ruft an und möchte einen Termin vereinbaren. Die somalische Familie mit drei Kindern lebt mit einem knappen Budget der Asylfürsorge. Frau H. benötigt Kleider für ihre Kinder. Susan Calderin vereinbart mit ihr eine Beratung, um die Familiensituation noch besser abzuklären, und organisiert einen Termin mit der Kleiderabgabe der SOS-Beratung.

«Jeder Tag bringt andere Schicksale und Menschen in die SOS-Beratung.»

Der letzte Ratsuchende an diesem Morgen ist Herr A. Obwohl die Situation in seinem Heimatland Afghanistan sehr unsicher ist, möchte er zurückkehren. Er erzählt, dass er gesundheitlich sehr angeschlagen sei und sich trotz der vielen Jahre, die er hier gelebt und gearbeitet hat, schlecht integriert fühlt. Er hat sich bereits mit seiner Pensionskasse in Verbindung gesetzt. Sobald sicher ist, dass sein Guthaben überwiesen wird, will er abreisen. Die Formalitäten aber überfordern ihn. Er unterschreibt deshalb eine Vollmacht, damit die Beraterin für ihn die noch nötigen Abklärungen bei der Bank machen kann. Dankbar verlässt er das Büro.

Es ist Mittag und Zeit für Susan Calderin zum Durchatmen, bevor es am Nachmittag weitergeht mit neuen Fragen und Problemen. Jeder Tag bringt andere Schicksale und Menschen in die SOS-Beratung – nicht immer ist es möglich, eine schwierige Lebenssituation massgeblich zu verändern. Oft sind es kleine Hilfen und Informationen, die die persönliche Notlage etwas erträglicher machen und Zuversicht geben.