An einem Regentag im Juni treffe ich in Rapperswil am Fischmarktplatz Sonja Appenzeller: eine sympathische, offene und sehr herzliche Frau. Sie hat im April den Lehrgang Pflegehelfer/-in SRK abgeschlossen, ist Mutter von zwei Töchtern und hat sich für die diesjährige Rotkreuz-Kampagne zur Verfügung gestellt. Wir begrüssen uns – nein, natürlich nicht mit Händeschütteln, sondern mit einem Lächeln und einer Ellbogen-Berührung. In einem Café suchen wir uns den grössten Tisch aus, damit der nötige Abstand eingehalten werden kann. Sie arbeitet mit hochbetagten Menschen, einer Risikogruppe, da ist die Notwendigkeit für den Abstand ganz unmittelbar.
«Ich wollte etwas machen, wo ich helfen kann und gebraucht werde», sagt sie. Bereits seit einem Jahr arbeitet sie bei einer Seniorenbetreuung und umsorgt betagte, teils demenziell erkrankte Personen. Ihre Augen strahlen, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. «Ich finde alte Menschen sehr spannend. Verglichen mit unserer Zeit war früher vieles anders. Es sind grosse Kontraste, die mich faszinieren. Auch Menschen mit Demenz wissen oft noch vieles von früher, das ist eindrücklich.»
Schmerzliche Einschränkungen
Kaum hatte Sonja Appenzeller in einem Alterszentrum ihr 15-tägiges Praktikum im Rahmen des Lehrgangs des Roten Kreuzes angefangen, kam das pandemiebedingte Besuchsverbot. «Es gab schon Tränen. Bei einer Bewohnerin wollte die Tochter aus Australien anreisen, doch der lang ersehnte Besuch musste abgesagt werden. Besuche von aussen sind wie Inseln für die Bewohnerinnen und Bewohner.» Auch sie selber konnte ihre Grossmutter im Pflegeheim nicht besuchen, die in dieser Zeit ihren 99. Geburtstag feierte. «Vor allem meine Mutter hat dies sehr getroffen», erzählt sie nachdenklich. Wie stark es ihre Grossmutter selber realisiert hat, weiss sie nicht, weil diese an Demenz erkrankt ist. Das Besuchsverbot ist mittlerweile aufgehoben, aber es ist immer noch für alle schwierig. Besonders Menschen mit Demenz können oft nicht verstehen, wieso man jetzt plötzlich eine Maske anhat. Sie haben noch mehr Mühe als sonst, das Gegenüber einzuordnen und zu verstehen.