Für andere da sein

Mit Freude Menschen im täglichen Leben unterstützen

Ausgabe 3 / 2020
Sonja Appenzeller ist aktuell auf Rotkreuz-Plakaten im Kanton Zürich zu sehen. Hier erzählt sie über Erlebnisse im Lockdown, biografieorientierte Begleitung und die Freude, ältere Menschen zu unterstützen.
Die Pflegehelferin SRK Kanton Zürich

An einem Regentag im Juni treffe ich in Rapperswil am Fischmarktplatz Sonja Appenzeller: eine sympathische, offene und sehr herzliche Frau. Sie hat im April den Lehrgang Pflegehelfer/-in SRK abgeschlossen, ist Mutter von zwei Töchtern und hat sich für die diesjährige Rotkreuz-Kampagne zur Verfügung gestellt. Wir begrüssen uns – nein, natürlich nicht mit Händeschütteln, sondern mit einem Lächeln und einer Ellbogen-Berührung. In einem Café suchen wir uns den grössten Tisch aus, damit der nötige Abstand eingehalten werden kann. Sie arbeitet mit hochbetagten Menschen, einer Risikogruppe, da ist die Notwendigkeit für den Abstand ganz unmittelbar.

«Ich wollte etwas machen, wo ich helfen kann und gebraucht werde», sagt sie. Bereits seit einem Jahr arbeitet sie bei einer Seniorenbetreuung und umsorgt betagte, teils demenziell erkrankte Personen. Ihre Augen strahlen, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. «Ich finde alte Menschen sehr spannend. Verglichen mit unserer Zeit war früher vieles anders. Es sind grosse Kontraste, die mich faszinieren. Auch Menschen mit Demenz wissen oft noch vieles von früher, das ist eindrücklich.»

Schmerzliche Einschränkungen

Kaum hatte Sonja Appenzeller in einem Alterszentrum ihr 15-tägiges Praktikum im Rahmen des Lehrgangs des Roten Kreuzes angefangen, kam das pandemiebedingte Besuchsverbot. «Es gab schon Tränen. Bei einer Bewohnerin wollte die Tochter aus Australien anreisen, doch der lang ersehnte Besuch musste abgesagt werden. Besuche von aussen sind wie Inseln für die Bewohnerinnen und Bewohner.» Auch sie selber konnte ihre Grossmutter im Pflegeheim nicht besuchen, die in dieser Zeit ihren 99. Geburtstag feierte. «Vor allem meine Mutter hat dies sehr getroffen», erzählt sie nachdenklich. Wie stark es ihre Grossmutter selber realisiert hat, weiss sie nicht, weil diese an Demenz erkrankt ist. Das Besuchsverbot ist mittlerweile aufgehoben, aber es ist immer noch für alle schwierig. Besonders Menschen mit Demenz können oft nicht verstehen, wieso man jetzt plötzlich eine Maske anhat. Sie haben noch mehr Mühe als sonst, das Gegenüber einzuordnen und zu verstehen.

«Ich wollte etwas machen, wo ich helfen kann und gebraucht werde»
Sonja Appenzeller, Pflegehelferin SRK
Als fröhlicher und positiver Mensch konnte Sonja Appenzeller der Phase der grossen Einschränkungen auch Gutes abgewinnen, beispielsweise in der Familie, als plötzlich alle mehr daheim waren und mehr Zeit füreinander war. Das ruhigere Einkaufen – mit Abstand und teils Wartezeiten – und die gegenseitige Rücksichtnahme fand sie eine angenehme Erfahrung. Sie war sogar erleichtert, als entschieden wurde, die Schulen zu schliessen – hätte eines ihrer Kinder Halsweh gehabt, hätte sie als Pflegehelferin nicht arbeiten können, schliesslich durfte sie niemanden gefährden. «Meine Töchter fanden es hingegen gar nicht lässig, dass die Schule schloss», erzählt sie. Die Situation mit dem Virus habe sie sehr beschäftigt. Mit dem Fernunterricht klappte es aber gut, einzig das Kopierpapier zum Ausdrucken fehlte zwischenzeitlich und war ausverkauft. Als dann nach vier Wochen Halbklassenunterricht wieder der Normalbetrieb der Schule startete, meinte ihre 13-jährige Tochter nach dem ersten Schultag: «Jesses, war das laut!»

Von ihrer Arbeit sagt Sonja Appenzeller: «Ich mache es einfach wahnsinnig gerne, es ist so vielseitig.» Auch ihre Töchter finden es cool, dass sie beruflich wieder eingestiegen ist. «Erst war ich nicht sicher, ob der Lehrgang etwas für mich ist, ob ich es packe. Aber der Unterricht war von der ersten Stunde an spannend. Bei den Mitschülerinnen hatte ich das Gefühl, dass wir uns schon ewig kennen. Mit einigen habe ich immer noch Kontakt.» Sehr wichtig ist ihr die biografieorientierte Begleitung und Pflege – das heisst, Rücksicht zu nehmen auf bisherige Lebensgewohnheiten beim Essen, Duschen, Anziehen, der Alltagsgestaltung. Da haben ja alle ihre eigenen Vorlieben. Das heisst auch, dass man Kenntnisse über die persönlichen Bedürfnisse der betreuten Person haben muss – gerade das mache es so vielseitig, jeder und jede sei anders. Die betagten Kundinnen und Kunden, die sie betreut, haben grosses Glück, denke ich mir im Stillen, von einer so feinfühligen und fröhlichen Frau betreut zu werden. Wir verabschieden uns – mit einem Lächeln und Winken.

Weiterbildung in Pflege und Betreuung

Kurse und Lehrgänge aus den Themenfeldern Pflege und Betreuung im SRK-Bildungszentrum in Winterthur eröffnen neue berufliche und private Perspektiven.

Im Juli und August ist Sonja Appenzeller im Kanton Zürich auf Rotkreuz-Plakaten zu sehen – oder online wie im untenstehenden Video. Mehr zur Kampagne 2020 erfahren.